In der Weihnachtsbäckerei

Meine diesjährigen Plätzchenempfehlungen rechtzeitig zum Fest!

Meine Motivation in der diesjährigen Vorweihnachtszeit ist gleich null. 2019 hatte ich mehr christmas spirit und da hatte mich meine Mutter ausgeladen. Soviel zu meiner aktuellen Gemütsverfassung. Aber wie sagte Pablo Tusset so schön? „Der Schein muss gewahrt werden, er ist das einzige, was wir haben.“ In diesem Sinne also Weihnachtsplaylist an, innerlich abkotzen bei allen fröhlichen let`s-be-merry-joy-all-around-gute-Laune-Liedern und die Weihnachtsbäckerei eröffnen, pünktlich am 01. Dezember. Außerdem gibt es mir eine Beschäftigung und die neue Folge der Drei ??? ist gerade erschienen, ich kann also zwischendurch meinen Kindheitshelden lauschen, deren Adventskalender ich selbstredend auch besitze. Lupenreines Alibi dass es mir nicht gut gehen könnte. [dieser Satz ist allen gewidmet, die das erste Türchen erfolgreich errätselt und geöffnet haben].

Immerhin das Wetter spielt mit, den aktuell fallen dicke tuftige Schneeflocken vom Himmel. Sie lösen sich natürlich auf sobald sie die Erde erreichen, fuck Klimawandel, aber zumindest sieht es schön aus, wenn ich aus dem Fenster blicke.

Die letzten Jahre gab es immer einer ausufernde, exorbitante Plätzchendekoriererei, mit Lebensmittelfarbe, angerührt in Rum und Puderzucker, und bis tief in die Nacht. Hier nur ein kleiner Ausschnitt unserer kreativen, zuckersüßen Künste.

2022 gab es das erstmals nicht mehr, denn da war ich schon unterwegs nach Down Under. Und 2023? Nun, es ist erträglicher, sich alleine einsam zu fühlen als unter Freunden. Denn da kommt das schlechte Gewissen hinzu. Was bin ich ein undankbares Wesen, habe die tollsten Freunde der Welt und bin nicht in der Lage, das auch so zu empfinden. Also lieber Rückzug. Und planmäßig die Rezepte in Angriff nehmen. Diese sind in diesem Jahr fast ausschließlich inspiriert von dem Buch Weihnachtsbäckerei. Also ignoriert meine Kacklaune und backt einfach nach.

Mandelspekulatius

(ergibt ca. 30 Stück)

ZUTATEN 125g Butter / 125g brauner Zucker / 1 Ei / 1 Prise Salz / 260g Mehl / 1TL Backpulver / je 1/2TL gemahlene Muskatnuss, Kardamom, Nelke und Ingwer / 1TL Zimt / 125g Mandelplättchen

ZUBEREITUNG Butter leicht erhitzen und mit dem Zucker schaumig rühren. Tipp: Ich mache die Butter in der Mikrowelle warm mit maximal 400 Watt, dann exlodiert die Butter nicht. Ei und Salz dazu, danach das Mehl, Backpulver und die Gewürze einrühren. Tipp: Frisch mahlen mit einer Gewürzmühle. Eine der besten Investitionen und es duftet einfach gleich viel intensiver nach Weihnachten. Alles zu einem glatten Teig verarbeiten und eingewickelt in Frischhaltefolie für mind. 6 Stunden im Kühlschrank ruhen lassen. Den Teig auf Zimmertemperatur anwärmen, nochmal durchkneten und ausrollen. Dass wir zum Ausrollen und Ausstechen immer etwas Mehl brauchen, werde ich hier eimalig und dann nie wieder erwähnen. Gesunder Menschenverstand. Die Spekulatius ausstechen – ich habe Spekulatiusigel und -monster gemacht – und mit Mandelplättchen dekorieren, diese dazu leicht andrücken. Wie alle anderen Plätzchen auch auf ein Ofenrost mit Backpapier setzen und im vorgeheizten Backofen bei 160 C 18-20 min backen. Wie alle anderen Plätzchen auch auf einem Kuchengitter auskühlen lassen.

Heidesandtaler

(ergibt ca. 35 Stück)

ZUTATEN 375g Mehl / 25g Speisestärke / 250g Butter / 150g Puderzucker / 1 Prise Salz / Schale von 1/2 Zitrone / Mark von 1/2 Vanilleschote / 2 Eigelb (3 wenn man tollpatschig ist wie ich und eins runterfallen lässt) / weißer Zucker zum Bestreuen / 8 EL Himbeergelee, Marmelade geht aber auch wenn einen die Körnchen nicht stören oder man vergessen hat, Gelee zu kaufen

ZUBEREITUNG Die Zutaten (bis auf 1 Eigelb, Streuzucker und Gelee) zu einem krümeligen Teig verarbeiten – er sollte nicht richtig fest sein, sondern eine Mischung aus Streusel- und Teigkonsistenz. Ein Frischhaltefolie wickeln und über Nacht im Kühlschrank ruhen lassen. Den Teig nochmal durchkneten, so wenig wie möglich, aber so viel, dass er nicht auseinanderbricht. In Portionen einteilen und aus diesen Rollen formen. Ist ein bisschen tricky, es so hinzukriegen, dass der Teig immer noch krümelig ist und trotzdem zusammenhält, aber sogar ich hab es einigermaßen hinbekommen, also schafft ihr das auch. Die Rollen sollten einen Durchmesser von ca. 2-3 cm haben. Die Rollen anschießend mit Eigelb bestreichen und mit Zucker bestreuen, und zwar von allen Seiten. Ich hab selbstgemachten Vanillezucker benutzt, normaler weißer geht aber genauso gut. Die Rollen danach in Scheiben schneiden und in jede Scheibe mit dem Daumen mittig eine kleine Mulde drücken. Diese mit einem Klecks Himbeergelee füllen und alles im vorgeheizten Backofen bei 180 C ca. 10 min goldgelb backen.

Ausstecherle

(ergibt ca. 50 Stück)

ZUTATEN 340g Mehl / 80g gemahlene Mandeln / 200g kalte Butter / 100g Puderzucker / Mark von 1/2 Vanilleschote / Schale von 1/2 Zitrone / 1 Prise Salz / 2 Eier / 1-2 Eigelb / 1 EL Sahne

ZUBEREITUNG Alle Zutaten bis auf Eigelb und Sahne zu einem glatten Teig verarbeiten, in Frischhaltefolie wickeln und mind. 30 min im Kühlschrank ruhen lassen. Ausrollen und munter ausstechen. Die Plätzchen auf ein Backpapier auf einem Ofenrost legen und entweder mit einer Eigelb-Sahne-Mischung bepinseln oder, für spätere Deko-Action naturell lassen. Ich habe solche und solche und noch ganz andere gemacht. Meine Lieblingsergebnisse sind die Stegosaurier mit Eigelb, Mandelplättchen als Schuppen und Schokodrops als Augen. Auch Schokostreusel sind denkbar. Der kreativen Austoberei sind keine Grenzen gesetzt, vor allem nachdem sie gebacken und ausgekühlt sind. Stichwort: Die Plätzchen bei 180 C 8-12 min goldbraun backen und dann auskühlen lassen.

Ein Teller voller Plätzchen!

Die Tage wird mit Sicherheit noch weiter gebacken, unter anderem Hildabrötchen und Vanillekipferl. Und noch ein paar Ausstecherle mehr. Für heute war es das aber. Ich muss sagen: ich bin vor allem sehr begeistert von den Spekulatius, die einfach viel besser schmecken als die gekauften, hier, ihr wisst schon, die berühmten, zwei Reihen übereinander, in roter Plastiktüte innen mit Papier ausgelegt. Könnte daran liegen, dass ich ersten frisch gemahlen habe und zweitens, mehr Gewürze als im Originalrezept drin habe, dafür weniger Zucker.

Viel Freude beim Nachbacken und Plätzchen mümmeln!

V.l.o.i.U.u.z.M.: Die Stegosaurus-Ausstecherle-Herde mit Mandelplättchen und Schokoaugen. Ausstecherigel mit Schokodrops und Sternschnuppenhimmel. Spekulatiusmonster und -igel, dekoriert mit Mandelplättchen. Elchausstecherle, zum Teil mit Schokostreuseln. Ausstecherigel mit Schokodropauge, weitere Spekulatiusmonster, Heidesandtaler mit Himbeermarmeladenauge und mittig: der arktische Ausstecherlefuchs mit winterlicher Eisdeko.

Julia isst….

…im Il Convivio

Mia prima cena in bella Tropea! Müde und überwältigt und nach zwei Beinahe-Panikattacken wollte ich gar nicht lange suchen, ging einfach drauflos und stolperte über dieses pittoreske Gässchen:

Erschöpft und dankbar nahm ich mit einem atmosphärischen Seufzer an einem der Tische Platz. Da die Italiener eher spätere Speisende sind, gehörte mir um kurz nach sieben die terrazza zunächst ganz alleine.

So saß ich da, studierte neugierig die Karte und mir schwante, das würde teuer werden. Ich war mitten in eine Tourifalle getappt. Come viene, viene, beschloss ich schulterzuckend, holte mia agenda con una copertina gialla heraus (einer der nützlichen Phrasen in meinem A2-Lesebuch. Kann man immer gebrauchen im Alltagsplausch, ein Notizbuch mit *farbigem* Einband), schrieb die ersten Assoziationen und Gedanken darnieder und verwandelte meine Umtriebigkeit in zunehmenden inneren Frieden. Ich bestellte zunächst einen vino rosso locale und einen Insalata Tropea – der mit den berühmten roten Zwiebeln, Tomaten, Basilikum und kleinen schwarzen Oliven. Schmeckte gut, aber ich war etwas überfordert wohin mit den Olivenkernen. Vor allem weil mich mangels weiterer Kundschaft fünf gelangweilte Kellner dauerhaft im Blick hatten. Während ich also beschämt meine Steinchen möglichst unauffällig und unelegant aus dem Mund nahm und unbeholfen auf einem Stück Brot deponierte, füllten sich nach und nach die Nachbartische. Laut Google (ja, ein bisschen Rezensionen gespickelt hab ich schon) gab es hier ganz hervorragende Pizza und innerlich händereibend orderte ich eine Cappricciosa. Und wurde herbe enttäuscht. Sie war ok. Aber es war eine ganz olle normale Pizza, kein Wow-Faktor, kein fluffiger, dicker Rand und so gar nicht neapolitanisch. APEration Strombolicchio fehlgeschlagen. Die Linguini und Antipasti am Nachbartisch sahen dafür gut aus, also nahm ich mir vor, wieder zu kommen. Und das tat ich auch. Es war ein frühsommerlicher Spätnachmittag und ich hatte mich zur Regeneration auf mein camerirera zurückgezogen als der Himmel seine Schleusen öffnete und sich ein Bilderbuchsommerregen über uns ergoss. Nach diesem für Calabrien typischen wolkenbruchartigen Regenguss hatte die Sonne das Städtchen wie in Gold getaucht. Aus allen Gassen dampfte es herrlich saftig, überall wurden die Terrassen so eifrig gedeckt wie sie eben erst eilig abgeräumt worden waren.

il convivio
Kitschig-romantischer pittoresker ristorante Eingang des Il Convivio

Im sonnengetränkten Gässchen des Convivios nahm ich Platz und bestellte mir einzig und allein die Primi Piatti Stringozzi con Vongole e Cozze. Irgendwie fies, dass das im Deutschen Miesmuschel heißt und das Italienische für uns Deutsche klingt wie rückwärts essen. Die englische Sprache hat da eine bessere Beziehung zu muschligem Meeresgetier, happy as a clam kommt ja nicht von ungefähr! Linguistische Ästhetik aber mal beiseite: schmecken tun sie. Hervorragend.

Stringozzi heißt so viel wie Schnürsenkel und beschreibt auch ganz gut die Form dieser Pasta in Länge, Breite, Tiefe – nicht aber in Konsistenz. Die war schön al dente, wie es sich gehört. Und mein Biss ist fest. Ich bin al denter als den meisten lieb ist. Weicheier!

Aber zurück zu meinem Restaurantbericht: Pasta & Muscheln bitte mehr, Pizza eher meh. Atmosphärisch top gelegen, preislich ok, und ein besonderes Schmankerl fürs geschulte Auge gibt’s gratis dazu: der capocameriere trägt einen gigantischen Bauch mit sich herum, über den sein schwarzes Polohemd zum Zerreißen gespannt ist, und den er mit jedem Schritt stolz vor sich herschiebt. René Goscinny und Albert Uderzo müssen einst hier gesessen haben und inspiriert von dem ein oder anderen vino ihre Zenturionen Zenturien Zenturios nach ihm modelliert haben. 

Blick in den Himmel nach Meeresfrüchtepasta und Regenguss.

Q E D

So, here we are again.

Ich öffne mein Herz, aller Widrigkeiten zum Trotz. Ich lasse mich ein, mache mich verwundbar. Und laufe blind ins offene Messer. Bojack Horseman meinte einst „Everybody loves me. But nobody likes me.“ Nun, das Problem hab ich nicht. Everybody likes me. Zumindest die meisten und die wenigen, die es nicht tun, auf die geb ich nichts. Ich bin ein Mensch, den man mag. Ich bin freundlich, ich bin nett, ich bin hilfsbereit, ich bin empathisch, ich bin weise, ich bin ein sympathischer Charakter. Ich werde gemocht. Und das ist ein schönes Gefühl, keine Frage. Everybody likes me.

But nobody loves me.

Ich bin liebenswert. Das ist der Leitsatz, den mein Sonnenkind mir beibringen soll. Der Leitsatz, den ich nie erfahren habe und der mir in fast 36 Jahren bislang verwehrt blieb. Mein Sonnenkind ist im übrigen ein Arschloch, dass nur dafür existiert, dreckig zu lachen und zu sagen „You wish. Träum weiter“

Ich möchte nicht undankbar sein. Ich weiß die Menschen in meinem Leben, denen ich etwas bedeute, sehr zu schätzen. Ich habe das Glück, einige spezialgelagerte Sonderexemplare der Gattung Mensch in meinem Umfeld zu haben, ohne die ich mein Leben und mich nicht ertragen könnte. Am Ende des Tages aber bin ich allein. Wenn die Fensterläden geschlossen werden, wenn die Schlafzimmertüren zugehen, wenn sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen – dann bin ich allein auf weiter Flur und allein mit meinen Gedanken die mir sagen: so wirst du immer bleiben. Allein. Weil du es nicht wert bist.

Ja, und jetzt werden all diese wunderbaren Menschen in meinem Leben heftig protestieren und sagen, jawohl bist du liebenswert, look at us, we love you, du bist sowas von liebenswert, wer könnte dich nicht lieben. Die Antwort? Alle.

„Liebe Julia, ich schätze dich unglaublich als Mensch. ABER“

„Liebe Julia, ich bin einfach Fan von dir. ABER“

„Lieber Julia, lass uns unbedingt weiter viel Zeit miteinander verbringen. ABER“

Aber lieben kann ich dich nicht. Aber in meinem Herz und meiner Seele rührt sich nichts. Viel Julia, bitte, aber bloß nicht mehr als Freundschaft.

Online-Dating ist hart und ich hasse es. Alas, würde ich seufzen lebte ich in einem Jane Austen Roman, – ich wohne in einem kleinen Kaff wo jeder jeden kennt und die Auswahl nicht nur klein, sondern auch weit außerhalb meines Interessengebiets liegt. Mir bleibt also im Grunde genommen keine Wahl. Trotz unverschämter „Komm, bisschen vögeln geht immer“ und oh, Klischee, Klischee, zahlreicher dick pics. Ich tu mich schwer und mit den meisten Chats verläuft es sich auch ziemlich schnell im Sande. Liebe Männer, daran ändert ein Foto eures Geschlechtsteils im Übrigen gar nichts. Eher im Gegenteil. Frustrierend das Ganze, aber was soll’s, bleibt einem ja nichts anderes übrig. Damit hab ich mich abgefunden (und maule trotzdem gerne daran herum).

Ich halte nichts vom zu lange zu viel Schreiben. Ich muss den Menschen wahrnehmen. Klar führt das zu einer Menge first dates, Kaffees und Spaziergängen, nach denen von beiden Seiten klar ist, nee, ist nicht. Damit kann ich leben, auch das gehört nunmal dazu. Trial and Error. Was hart ist, sind die guten Treffen. Die, die ewig dauern. Die, die ein zweites Date zur Folge haben. Und noch eins. Und noch eins. Und dann, wenn mir der andere volles Interesse und Aufmerksamkeit entgegenbringt und ich mir vorsichtig erlaube, mein Herz zu öffnen, nur ein klitzekleines bisschen, tja, dann kommt einer der o. g. Sätze. 

Mein letztes Date war objektiv betrachtet eine Katastrophe. Mein Hund kotze auf seinen Wohnzimmerteppich, ich zerdepperte ein Weinglas, die ganze Filmreife Slapstickpalette. Und trotzdem wollte er mich wiedersehen. Und was macht mein Bauch? Fängt an zu verkrampfen und mir zuzuraunen: glaubst auch nur du. Wart nur ab. Und mein Therapeut und meine Freunde und auch ich selber halten dagegen. Nein, die Zeichen deuten dagegen. Also lasse ich mich überzeugen und gebe mich hoffnungsvoll. 

Eine Woche positiver Textnachrichten, die die Hoffnung weiter befeuern später: Surprise, surprise – ich schätze die Gespräche, die Momente mit dir so sehr und würde gerne weiter Zeit mit dir verbringen. ABER. Der Rest ist Geschichte. QED, quod erat demonstrandum, was zu beweisen war. Gefühle kann man nicht erzwingen, schon klar, und ich mache niemanden einen Vorwurf (vielleicht dem ein oder anderen auf die Art und Weise, WIE er mir das mitteilte). Was ist so falsch an mir, dass es anderen unmöglich ist, mich zu lieben? Immerhin auf die fiese Stimme in meinem Kopf kann ich mich verlassen – die, die mir sagt, gib auf, bringt alles nix. Denn bisher hat sie immer Recht behalten. Und lacht sich auch jetzt wieder ins Fäustchen sodass ich mich frage: warum dagegen ankämpfen? Wofür? Für wen? Für mich nicht, ich bin es nicht wert.

Wenigstens, und das ist ein schwacher Trost, kann ich meinem Therapeuten entgegenwerfen: Ich hatte recht.

Mangiare!

„Se non è piccante non è calabrese.”

– Calabresisches Sprichwort

Über die italienische Küche muss nicht viel gesagt werden (tu ich natürlich trotzdem), höchstens davon schwärmen sollte man (tu ich ausführlichst). Es hat schon seinen Grund, dass alle anderen Länder alle anderen Länder ebenso oft in der Gastronomie repräsentieren wie die heimischen, während es in Italien fast nur Italiener gibt und auch die Italiener hier in Freiburg grundsätzlich nur zum Italiener wollen. Ich als lukullischer Genießer des Mediterranen habe mit Tropea auch die geschmackliche Perle des tyrrhenischen Meeres gefunden. Es gibt eine unendliche Auswahl an Restaurants und auf Google-Bewertungen sollte man am besten gar nichts geben – was Touristen mit 5* bewerten, kann bei den Italienern komplett durchfallen, und manche der ersteren Artgenossen mögen das Hofieren der Kellner genießen, ich aber bevorzuge authentisches Gehabe und vor allem: italienisch! Spricht mich von der Seite schon ein lauernder Catcher in der Reihe von Restaurants an, wo er neben einer dreisprachigen Menutafel steht und fragt, wo ich herkomme um mir dann ein paar Brocken meiner Heimatsprache um den Kopf zu werfen, suche ich das Weite. Ich will Sprachbarrieren, ich will Hand und Fuß, ich will ein kommunikatives Abenteuer,  nicht das Starbucks der ristorante italiani. Da kann ich ja gleich zu Vapiano. In einer so reichlich restaurantierten Stadt wie Tropea kann man da schonmal das Falsche erwischen. Ist aber nicht schlimm, gehört dazu, aus Fehlern lernt man und solange man hinterher gesund und gesättigt ist, war es kein kompletter Reinfall. Aus Recherchegründen habe ich manche Restaurants mehrfach besucht, denn Pizza und Pasta und Meeresfrüchte sind ganz unterschiedliche Metiers der mediterranischen cucina. Meine Erwartungen waren hoch. Ich wollte Schwertfisch in jeder Variation, cipolle rosse, Pasta con frutti di mare, vongole e/o cozze, und Pizza wie von der Strombolicchio-Ape – Spoiler: an die kommt keiner ran.

Es folgt eine Liste an Dingen, die man meines Erachtens unbedingt probieren sollte, ausnahmsweise beinahe ohne Kommentare und Gelaber, mehr als Appetithäppchen in den Raum geworfen, damit ihr sie mal gehört und auf dem mentalen Menuschirm habt:

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Granita, die italienische Art des Sorbets aber viel besser – @Bar Pepe, Parghelia

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Gelato alla cipolle, definitiv ein Tourigag, schmeckt aber trotzdem

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Biscotti alla mandorle, in allen Variationen. Kekse!!!! -@Café del Corso

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Pesce Spade, egal ob geräuchert, gegrillt, oder mit Paccheri, aber NIE. MIT. PARMESAN.

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’Nduja, diese scharfe Streichwurst, die einfach mega schmeckte

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Cipolle rosse, immer und überall und ganz besonders nidi di cipolla.

Und unbedingt alleine nächtigen!

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Arrancini, frittierte ReismitSchei*-Bällchen, stets mit formaggio und wahlweise ragù, cipolle, ‘nduja oder melanzane -@La Napoli

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Peperoncini, nicht umsonst das “Viagra Calabriens”. Und dann einen G&T calabrese, am besten mit erlesener männlicher Begleitung, dann erfahrt ihr am eigenen Leib, warum es so heißt 🙊🌶 Amore!

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Und zum Dessert:

Tartufo

Tempo per tempo!

…beschreibt auch, in diesem Fall aber nicht, eine Schniefnase die ein Taschentuch nach dem anderen braucht, sondern es ist: Zeit für’s Wetter. Während in Deutschland gerade die Nebel schwadern und wabern und mir schlechte Laune bereiten, sehne ich mich nach bella Tropea und o sole mio zurück – und schwupps, sind wir wieder dort:

Durchschnittlich 3-7 Tage Regen werden für den tropeanischen Juni prognostiziert und angenehme 22-26°C. Begrüßt wurde ich mit strahlendem Sonnenschein und keiner noch so winzigen Wolke am Himmel. Doch es ist nicht immer eitel Sonnenschein: Der Wetterbericht für die kommenden Tage sagte eine Gewitter- und Regenwahrscheinlichkeit von durchschnittlich 80% voraus, was zu 100% ein finsteres Gewitter in meinem Gemüt zur Folge hatte – war ich doch hierher gekommen um dem tristtrübnasskalten Freiburger “Frühsommer” zu entkommen und Vitamin B zu tanken. Inzwischen weiß ich, was so eine Vorhersage de facto bedeutet: morgens ist es meist bewölkt, spätestens zum mezzogiorno klärt es allerdings auf und bis auf ein paar träge Schäfchen hie und da bleibt es auch klar. Die gigantischen Wolkenfelder die am Horizont zu sehen sind verweilen eben dort – weit, weit weg – oder aber sie ziehen rasant vorüber. Tempus fugit, und das gilt für Zeit wie Wetter. Wettervorhersage ist und bleibt Wahrscheinlichkeitsrechnung basierend auf wankelmütigen meteorologischen Daten (più mobile che le donne) und o. g. manifestierte sich in genau einem kurzen Gewitter in zehn Tagen und an manchen Morgen in kurzweiligen Schauern von erfrischender Sommerregengussqualität oder als dicke, fette, vereinzelte Tropfen. Die Art von Regen, die schon wieder vorbei ist bevor man sich versieht, und nach der die Stadt diesen besonderen goldenen Glanz von Sonne auf nassen Steinen hat und es in allen Gassen dampft und duftet. Petrichor.*

Tropea nach einem Wolkenbruch. Noch schöner und es dampft in allen Gassen!

Für mein Empfinden ist das tropeanische Juniwetter ideal. Nach sieben Jahren Spielzeitpause aka Zwangsurlaub im August ist es herrlich, nicht innerhalb von ein paar Minuten gebrutzelt zu werden und vor Hitze einzugehen (von den Touristenströmen ganz zu schweigen). Und als Sonnenanbeterin tut meiner Haut ein bisschen nuvola nel cielo ganz gut. Übrigens – ich habe endlich meine perfekte Sonnencreme gefunden, der Bären-Apotheke sei Dank, die mich bei jedem Großeinkauf (ich bestehe zu etwa 30% aus Medikamenten) mit gratis Pröbchen versorgt: CETRAPHIL Sensitive Fluid-Gel LSF 30 fühlt sich nicht an wie Sonnencreme, hält – auch was sie verspricht, denn ich habe nicht ein einziges Mal Sonnenbrand bekommen [unbezahlte Werbung weil überzeugt]. Das Meerwasser hat angenehme durchschnittliche 22°C, was für uns Deutsche molto caldo, für die verwöhnten Südländer molto kalto ist.

Ergo: Mehr Meer für mich! 😁🏝

Eine seltene Erscheinung – eine große, bauschige Wolke. Auch diese löste sich bald in Wohlgefallen auf.

*Petrichor, liebe ungebildete Leser*innen, ist nicht etwas ein Gesangsensemble von Fischern, sondern eines meiner Lieblingswörter, und bezeichnet den Duft der Erde nach einem Regenguss, einer meiner Lieblingsdüfte.

Spätestens wenn sich die Wolken Richtung Inland verziehen, dann habe ich ihr Erscheinen ebendies.

Ihr wollt auch an die Stiefelspitze? Dann schaut bei Katrin auf Urlaub an der Stiefelspitze vorbei und lasst euch von ihr beraten und von ihrer Liebe zu Land und Leuten anstecken!

Schwere depressive Episoden zum Schmunzeln und Verzweifeln

Eine neue Rubrik! Hier werde ich fortan, nach und nach, hin und wieder, ab und an und äußerst unzuverlässig schwere depressive Episoden aus meinem Leben veröffentlichen. In den letzten Monaten habe ich mühsam und schmerzhaft das Häufchen Elend das ich nach einem heftigen Burn Out war wieder zusammengeklaubt zu etwas halbwegs Lebenswertem und Liebenswertem. Auch wenn ich noch lange nicht am Ziel angekommen bin und tagtäglich einen Kampf antrete, gegen den Helms Klamm ein Spaziergang im Park ist, habe ich bereits einen weiten Weg in die richtige Richtung zurückgelegt auf der Suche nach mir und der Sinnhaftigkeit meiner Existenz, auch wenn das jetzt ganz schön dick aufgetragen klingt. In dieser Zeit habe ich viel über mich gelernt, vieles an mir entdeckt, das aus gutem Grund im Untergrund vergraben war und bin stets mit meiner mir angeborenen Neugierde und meinem recht dickköpfigen Willen auf jeden Zug aufgesprungen, der auch nur ansatzweise in die richtige Richtung fuhr. Und wenn ich dabei selbst die Kohle von der Lore in die Lok schaufeln musste und mir Schwielen an den Händen holte.

Von all dem, was mir widerfahren ist, was ich erlebt und durchgemacht habe, welche Erfahrungen ich gemacht und welche Lektionen ich gelernt habe, möchte ich auch andere profitieren lassen. Seien es Leidensgenossen*innen oder Drittparteien oder einfach Menschen, die Anteil nehmen. Worte waren schon immer mein Schwert und wie man mir mehrfach mitteilte, bin ich äußerst weise in meiner Sicht auf die Dinge, auf die immer noch totgeschwiegene Volkskrankheit Depression und in meiner Ausdrucksweise. Ich trage das Wortgewand der Rhetorik und dies ist mein Laufsteg. Ich bin ein lebenslustiger Mensch, selbst oder vielmehr gerade in Momenten tiefster Verzweiflung, und ohne meinen mitunter bitterbösen Humor hätte ich die dunkelsten Stunden nicht durchgestanden. Und sind wir mal ehrlich – so tragisch die Begebenheiten im Leben einer schwer Depressiven sind, so unfreiwillig komisch sind sie auch. Und Grund zu lachen haben wir Betroffenen wahrlich mehr als nötig. Deswegen diese Kategorie. Am Ende soll ein Buch draus werden, mit ebendiesen Episoden, aber auch allerlei anderem. Gab’s ja noch nie, ein Buch in dem die eigene mentale Ungesundheit verarbeitet wird… KLUG UND EINSAM wird es heißen, mit dem Untertitel “Schwere depressive Episoden zum Schmunzeln und Verzweifeln”. Darin zu finden sind, sodann es denn soweit sein sollte, Begebenheiten der komischen Art, hilfreiche Tipps und Tricks und Methoden, Aggressionen gegen beschönigende Sinnsprüche und gegen esoterisches Geschwafel und mit Sicherheit das ein oder andere schlechte Wortspiel. “Klug und Einsam” waren die Worte, mit denen mich meine Ärztin am Ende unserer ersten Therapiesitzung während meines Klinikaufenthaltes zusammenfasste. Und ja, ein bisschen trage ich diesen Stempel mit stolz. Wenn ich schon unter tiefster Einsamkeit leide, darf ich mich bitte wenigstens meines Intellekts rühmen. Mein Künstlername kommt ja nicht von ungefähr.

Es kostet viel Überwindung, so offen über diese sehr persönlichen Themen zu sprechen. Ich habe schon früh beschlossen, nichts totzuschweigen, nicht einmal das Tabuthema Suizid (totschweigen, haha). Und auch wenn ich das nicht vorhandene Schamgefühl meiner Mutter was das Äußere angeht geerbt habe, ist ein Seelenstriptease eine ganz andere Liga als am Baggersee blank zu ziehen. Dennoch glaube ich, es ist wichtig, darüber zu sprechen. Für mich, für Angehörige, für Betroffene, die so vielleicht eher den Mut finden, Hilfe zu suchen, für all diejenigen, die sich alleine gelassen fühlen mit einer Krankmeldung und einer Packung Mirtazapin und einem lapidaren “Viel Erfolg bei der Therapeutensuche” und denen das, was sie hier lesen möglicherweise weiterhelfen mag. Und natürlich für alle, die im Anschluss an die hier erscheinenden Ausschnitte und Snippets mein Buch kaufen werden. Handsigniert.

Der Mensch ist ein heiteres und ein untröstliches Tier

[Molière, Der Menschenfeind / Le Misanthrope]

Alle Wege führen nach Rom? Nicht in Tropea!

Panorama dell’Isola di Tropea auf meinen Standardstrand.
Wie kann man bei dieser Aussicht nicht mit der Sonne um die Wette strahlen!

Hier führen sie ans Meer. Man muss allerdings ein bisschen aufpassen, denn viele Wege, Gässchen und Seitenstraßen sind mehr Schein als Sein in ihrer Ausrichtung: sie enden in Sackgassen, opti(misti)scher betrachtet in Aussichtsplattformen. Aber keine Sorge: es gibt sie, die Stufen zum Meer und zu den zahlreichen, pittoresken Stränden Tropeas direkt vor der Haustür, allerdings 15 Stockwerke (sagt meine kluge Uhr) tiefer. Für das, was einen dort unten erwartet, lohnt sich der mühsame Aufstieg hinterher, versprochen. Und man kann beim Rückweg mit den Einheimischen trotz mangelnder Sprachkenntnisse Puccini-sei-Dank adäquaten Small Talk betreiben. Wie klagte schon Mimi dem Bohèmien? “Il respir… Quelle scale…”

Felsstrände fernab der Touristenströme

Ein Strand, spiaggia, lido ist schöner als der andere. Weiß-weiche Sandstrände, glatte Kieselsteine, bizarre Felsformationen – die geologische Mannigfaltigkeit lässt keine Wünsche offen und eignet sich hervorragend für gedehnte Strandspaziergänge. Und manchmal, wenn man sich nicht scheut, behände oder unbeholfen über die Felsen zu kraxeln, trifft man unter Umständen auf einen einsamen Robinson Crusoe, der sich versteckt eine Basthütte gebaut hat und einlädt, gemeinsam den Wellen zuzusehen, wie sie sich an den Felsen brechen.

Verborgenes Strandgut

Gemeinsames Brandungsschauen zur Morgenstund und dabei zu Schweigen ist gleich doppelt Gold wert.

Kleine Sprachkunde: 🇮🇹

  • la spiaggia – Strand, egal ob Sand oder Stein oder Fels
  • la marina – die Küste (die in Calabrien die Muse küsste, so schön ist sie)
  • il lido – Strandgebiet mit Bar, Sonnenschirm- und Liegenverleih, sanitären Anlagen und oft auch Musik
  • il lido di marina – lido an einem spiaggia der calabrischen marina, betrieben von einer Holländerin und mit fantastischen Meeresfrüchtekreationen

Antonio, mein signore vecchio wie ihn jede Stadtneurotikerin auf Italien-Auszeit im Woody-Allen-Film braucht, hat mir ein Buch geliehen, den uralten Klassiker “TROPEA“, ein viersprachiges Werk zur Kultur und Geschichte Tropeas, dass drei Jahre mehr auf dem Buchbuckel hat als ich. Die poetische Wortwahl zeugt von einem wahrhaften Verehrer dieser bezaubernden Gegend als Autor; die nicht-italienischen Texte hingegen sind ihrer Qualität nach eindeutig übersetzt worden von Google Translate, hätte es das da schon gegeben. Ab und an werde ich aus diesem Werk zitieren, da es so wunderbar die Faszination Calabriens in Worte zu fassen vermag. Vor allem über Meer und Strände finden sich ganz fantastische Phrasen, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Und ja, ich hab sie alle handschriftlich mit Füller abgeschrieben. Mein persönlicher codex manesse di tropea nach dem Schema: ⚜️ italienisches Original // deutsche Übersetzung ⚜️ geistiges Eigentum aus meiner Feder aka mein Senf. Gefolgt von einer Galerie erlesener Strandszenarien. Manchmal lasse sogar ich lieber Bilder als Worte sprechen.

⚜️ il melodico fruscio delle onde

das melodische Geräusch der Wellen ⚜️ Meer is in the air, everywhere I look around 🎶🌊

⚜️ l’accogliente e soffice carezza della bianche sablie

die gastfreundlichen und weichen Liebkosungen der weißen Sandstrände ⚜️ #softporn

⚜️ il luminoso fremito che ti avvolge col suo perenne moto che è brezza marina

das lichte Brausen, das Dich mit seinem ewigen Geräusch einhüllt: der Meeresbrise ⚜️ Ein Geräusch der Geborgenheit, dem zu lauschen ich niemals müde werde…

⚜️ contrastante incontro tra il perpetuo divenire della palpitante cromia marina e l’immoto grigore di fantastici mostri emersi dalle acque

kontrastreiches Zusammentreffen zwischen dem ständigen Werden der heftig schlagenden Wellen und dem stummen Grau der fantastischen Monster, die aus dem Wasser herausragen was nicht nur die tyrrhenische Küste beschreibt, sondern auch den immerwährenden Kampf meiner inneren Umtriebigkeit und der bedrohlich schwarzen Depression. Aber in schön.

⚜️ brevi arenili che nulla potrà turbare. Ultime reliquie di un mondo scomparso

kurze Strandabschnitte, die durch nichts gestört werden können. Letzte Reliquien einer untergegangenen Welt ⚜️ mega pathetisch, aber hier darf das

⚜️ Ed è in questo continuo variore di circostritti lidi che è riposto tutto il fascino dlla vasta zona

Und in diesen aufeinanderfolgenden Stränden liegt der besondere Zauber dieser Gegend ⚜️💯

Mein Standardstrand mit Blick aufs Meer (siehe oben, siehe oben links)
Sand überall nervt? Kiesstrandabschnitte laden ein zur Sonnenbadenden Reflexzonenmassage!
…oder man setzt sich gleich auf die Felsen!
Gemalt wäre nicht schöner und farbenprächtiger!
Versteckte Paradiese sind überall zu finden – und alle in Fußweite von Tropea!

Ihr wollt auch an die Stiefelspitze? Dann schaut bei Katrin auf Urlaub an der Stiefelspitze vorbei und lasst euch von ihr beraten und von ihrer Liebe zu Land und Leuten anstecken!

Der erste Eindruck…

Tropea, Calabria, ITA, 4.-14. Giugno 2021

…zählt, wie man so schön sagt. Und steigt aus dem Zug aus auf einen verstaubten, verlassenen Bahnhof mit verblichenen Schildern. Es ist heiß, aber nicht stickig, die Sonne scheint und es geht eine sanfte Brise. Ich folge der Straße bergab ins centrò antico und rumple und rattere mit meinem Rollköfferchen das Steinpflaster herunter. Geradeaus geht es weiter zum Meer, es lockt schon aus der Ferne, ich aber biege rechts ab in ein es von vielen Seitengässchen, die Via Glorizio, und steige steile, breite Steinstufen hinauf zu einem großen, grünen Tor – der Eingang zum

La porta di Vecchio Castello, a sinistra.

B&B Il Vecchio Castello,

mein Zuhause für die kommenden zehn Tage. Das Gebäude ist in der Tat sehr alt. Im Erdgeschoss sind grobe Kopfsteinpflaster, früher waren das wie in vielen der alten Häuser Stallungen. Eine steile Steintreppe führt in die oberen Stockwerken, anno dazumal die appartamenti nobili. Das B&B befindet sich im zweiten Stock, höhenmetrisch aber mindestens drei, bestätigen mir meine Beine und meine smarte watch. Die Zimmer sind alle renoviert, dankenswerterweise optisch nicht modernisiert sondern schlicht und dezent in reinem weiß gehalten. Hohe Decken, Flügelglastüren auf einen französischen Balkon hinaus mit Blick auf den Sedile dei Nobili, das heutzutage Ausstellungsräume und das Touristenbüro beherbergt, den Brunnen Tre Fontane, den Corso und das Meer. Kunstvolle Bodenfliesen ergänzen das Postkarenmotiv auch im inneren des Gebäudes. Gemälde in majestätischen goldenen Rahmen an den Wänden und antike Keramiken in den Regalen schaffen ein Gefühl, als lebe man inmitten einer antiken Ausstellung. Fantastisch. Mussorgsky hätte vermutlich direkt mit komponieren begonnen. Mein cameriera una ist klein, aber einladend und ich werde viele Abende auf diesem Balkon beginnen oder ausklingen lassen, berieselt vom dolce vita unten in den Bars, ein herrlich willkommenes Geräusch der Lebendigkeit und Lebensfreude nach den vergangenen stillen und isolierten Monaten. “La dolce vita se sveglia” pflege ich diese Atmosphäre zu beschreiben, “das süße Leben erwacht”. Mein Gastgeber Antonio, ein signore der älteren Generation, spricht nur italienisch, ist mir auf Anhieb molto simpatico und hat meine Zeit in Tropea um so Vieles bereichert, er hat sich sein eigenes Kapitel verdient.

Nachdem ich mich eingerichtet, heimelig und frisch gemacht habe, bin ich bereit für einen ersten Erkundungsspaziergang. Entlang des Corso geht es direkt Richtung mare, vorbei an Cafés, Bars und Souvenirshops mit ihren prodotti tipici. In einem mache ich spontan Halt, lasse mich von einem uomo vecchio beraten (Betonung auf raten, denn meine mangelnden Vokabelkenntnisse lassen nichts anderes zu) und gönne mir eine Flasche Gaglioppo, für später. Dopo: Gaglioppo, wie sich sehr schön reimen lässt. Tropea, lerne ich schnell, ist recht kompakt. Das centrò storico ist klassisch rund, und durchzogen von einem Labyrinth verwinkelter Gässchen. Die modernere Neustadt zieht sich nach Süden in die Länge, in der entgegengesetzten Richtung liegt der Hafen und gen Landesinnere, hoch oben, thront die Chiesa Michelizia. Nach nicht einmal 5 Minuten Schlendern mündet der Corso in eine Sackgasse. Zwischen zwei hohen Steinhäusern versperrt ein Eisengeländer zwar den Weg, nicht aber die Aussicht direkt aufs Meer. Kann sich sehen lassen, dieses Panorama und dabei sind wir zeitlich noch gute zwei Stunden vor dem ersten Sonnenuntergang sul mare. In der Ferne sind die Silhouetten der Äolischen Inseln auszumachen und unendliche Horizonte….

Meinen ersten Abend lasse ich erschöpft von der Reise und der damit verbundenen Bürokratie ausklingen auf meinem Balkon, mit Blick über die città und einer famosen Farbpalette über dem Meer, mit einem bicchiere Gaglippo in der Hand und dem Herzen, so ahne ich, am rechten Fleck.

Ihr wollt auch an die Stiefelspitze? Dann schaut bei Katrin auf Urlaub an der Stiefelspitze vorbei und lasst euch von ihr beraten und von ihrer Liebe zu Land und Leuten anstecken!

Anreise

Tropea, Calabria, ITA, 4.-14. Giugno 2021

Buon viaggiò – eine wahrhaft gute (An)Reise. Vom Flughafen Basel-Freiburg-Mulhouse gibt es eine EasyJet-Direktverbindung nach Lamezia Therme. Vielleicht der Pandemie geschuldet sogar zu sehr humanen Uhrzeiten. Lamezia Therme ist der winzigste International Airport, den ich kenne. Der Raucherbereich ist ein 2x3m großer Freiluftbalkon. Der Freiburger Hauptbahnhof dürfte größer sein. Bietet aber weniger schöne Sonnenuntergänge! Vom aeroporto gibt es einen Bus zum Bahnhof, ebenfalls winzig, Lamzia Therme Centrale und von dort immer mal wieder einen Zug nach Tropea, für sagenhafte 5,70€ und eine Stunde entlang der Küste. Spoiler: Entgegen aller Vorurteile waren ausnahmslos alle Züge in meinem Urlaub pünktlich, die einzige Verspätung gab es in Deutschland, von Wasenweiler nach Freiburg. Der Bahnhof von Tropea liegt oberhalb des historischen Stadtzentrums, in zehn Minuten ist man mitten im centrò, bei schwerem Gepäck in fünfzehn.

Für alternative Anreisemöglichkeiten schaut euch mal bei Kalabrien-Koryphäe Katrin um, die die italienische Stiefelspitze besser kennt als ich die meinige und – sollte es dem werten Leser entgangen sein – ohne die ich vermutlich niemals hierhergefunden hätte (insert Kusshand). 

Sunset at Aeroporto di Lamezia Therme

Ihr wollt auch an die Stiefelspitze? Dann schaut bei Katrin auf Urlaub an der Stiefelspitze vorbei und lasst euch von ihr beraten und von ihrer Liebe zu Land und Leuten anstecken!

Wieso Tropea?

Tropea, Calabria, ITA, 4.-14. Giugno 2021

Es begann mit einer Reise nach Griechenland, in einer Zeit, in der das Reisen ohne Tests und Masken möglich war. Jene Reise ist aber eine andere Geschichte. Für diese hier ist nur ausschlaggebend, dass ich aufgrund jener zu dieser überhaupt erst gekommen bin. Denn wie es so ist – man tauscht seine Sozialen Medien aus. Und so kam es, dass der Instagram-Algorithmus mir anzeigte, eine befreundete Meeresschildkröte folge “Strombolicchio Ape Pizzeria”. Oha, dachte ich, Ape und Pizza klingt schonmal gut, und das erste Wort klingt auch italienisch, also klickte ich kurzerhand auf das Icon und mir lief das Wasser im Mund zusammen beim Anblick der Pizze napoletane. Ein paar vorzügliche, stets delikat und umwerfend belegte Pizze später lernte ich nicht nur, dieses ominöse erste Wort richtig auszusprechen, sondern auch Katrin und Manuel besser kennen und fast so sehr lieben wie ihre Pizza. Beide schwärmen immer schwer von Calabrien und besonders Tropea, vor allem Katrin. Außerdem hatte sie sich gerade eben verselbstständigt mit ihren individuellen Reisen nach Calabrien: Urlaub an der Stiefelspitze. Blöderweise geschah das alles im unsäglichen Jahr 2020 parallel und inmitten einer globalen Pandemie, sodass die vielen Sehnsuchterzeugenden Rezensionen, Reisetipps und Fotos leider nur ein ferner Traum blieben, lokal wie real.

Fast forward into 2021. Die Pandemie beherrscht immer noch die Welt und die erhitzten, entkräfteten, mürben und müden Gemüter. Die ersten Impfstoffe sind bereit und werden fleißig verimpft (mit mehr oder weniger Chaos und Bürokratie, eine wunderbare Völkerstudie über die verschiedensten Arten und Weisen, es niemandem Recht machen zu können und dem Chaos den Thron neben dem Virus zu geben) und auch Italien findet zurück ins Leben und eine hoffnungsvolle Zukunft. Es ist Mitte Mai, ich bin bereits zweifach comirnatiert, und Italien öffnet seine Grenzen. Es ist Mitte Mai, das Wetter in Freiburg ist ein ständiger Dauerregen und -frust, mit einigen wenigen Sonnentagen. Von wegen Wonnemonat. Tonnemonat, denn in die selbige gehört er hinein, dieser Freiburger Mai 2021. Ich musste raus. Ich brauchte einen Tapetenwechsel und Sonne. Die ersten Ideen waren schnell da – Madeira, schon lange auf meiner Liste, zurück nach Amalfi, Eva in der toskanischen Landschaft besuchen, wandern in den Dolomiten. Möglichkeiten hatte ich reichlich. Aber da ich mich nicht nur inmitten einer schweren Pandemie sondern auch einer schweren Depression befinde, ließ mein regulärer Elan zu wünschen übrig und allein beim Recherchieren wurde ich von Müdigkeit befallen. Eine Alternative musste her. Einer spontanen Eingebung folgend rief ich Katrin an, gab ihr die Flugdaten durch und ließ sie machen, in vollstem Vertrauen. Zurecht. Anders als sonst bereitete ich keine 200-Seiten-Broschüre vor um ja alles machbare auf dem Schirm zu haben und doch nur einen Bruchteil davon zu tun, sondern ließ mich einfach ein auf das Abenteuer Tropea, mit nichts im Gepäck außer Gepäck und drei Sätzen und ein paar Brocken Italienisch. Andiamo!

Ihr wollt auch an die Stiefelspitze? Dann schaut bei Katrin auf Urlaub an der Stiefelspitze vorbei und lasst euch von ihr beraten und von ihrer Liebe zu Land und Leuten anstecken!