Ode an den Füller

Da ich nicht singen kann, im Prosa.

Ich schreibe diese Zeilen – wer hätte es gedacht – mit meinem Füller, auch wenn ihr, liebe Leser, die abgetippte Tablet-Ausgabe zu lesen bekommen.

Der Füller, zu Zeiten klackernder Schreibmaschinen und Wählscheibenfestnetzapparaten das mobile Schreibaccessoire en vogue, erlebte in den letzten Jahren ein Comeback. Entgegen der allgemeinen Vorstellungen braucht es weder Bart noch Intellektuellenbrille, auch ein Moleskine ist nicht vonnöten, aber sehr zu empfehlen, um einen Füller benutzen zu dürfen. Ich für meinen Teil schreibe derzeit in ein suhrkamp Notizbuch #unbezahlteWerbung und auf einem Hugo Boss-Schreibblock. Vornehm geht die Welt zugrunde.

Wie gerne würde ich davon erzählen, wie elegant und exquisit er ist, mein Füller, wie Feder und Kiel sich sanft geschwungen vereinen. Alas – und es gibt kein deutsches Wort um diesen Seufzer der englischen Literatur adäquat zu übersetzen – alas, meiner ist kantig und plump, liegt aber gut in der Hand. Außerdem hat er nur 19,90 € gekostet und an der Kasse wurden zusätzlich 3% Mehrwertsteuersenkung (die wir an Sie, liebe Kunden, weitergeben) abgezogen und trotz seiner einfachen Ausstattung möchte ich ihn nicht mehr missen. Er ist schwarz, wenigsten hier also zeitlos. Mit ihm fühle ich das Schreiben, mit ihm fülle ich die Blätter, mit ihm erfülle ich mich an meiner eigenen Kreativität.

Ein Füller erwartet einen zarten Umgang. Nicht wie der Kulli, dieses grobschlächtige Schreibwerkzeug. Wie schnell wird hier der Griff zur krampfhaften Umklammerung, der Schöpfungsakt zum schludrigen Hingekritzel. Ein Kugelschreiber ist ein austauschbarer, irrelevanter, lieb- und lebloser Gebrauchsgegenstand, existent einzig und allein zum Zwecke seines Gebrauchs. Dies schreibe ich, ohne eine Mi(e)ne zu verziehen. Ein Füller hingegen verspricht einen Hauch von Abenteuer. Schon das Kratzen auf dem Papier, wie Vinyl so zärtlich und rau zugleich, macht das Schreiben zum Erlebnis. Wie einst die Feder ins Tintenfass taucht der Schreibende ein in die eigene Fantasie und bringt sie zu Papier. Der Füller ist das Zen der literarischen Schaffenskraft. Er verlangt Geduld, vor allem bei Linkshändern, er betont die Langsamkeit und nein, ich schreibe jetzt nicht Achtsamkeit, ach verdammt, da steht es und weil es Tinte ist und Tintenkiller giftig sind und stinken und bei schwarzer Tinte sowieso nicht funktionieren, kann ich es auch nicht mehr rückgängig machen. Ich könnte es durchstreichen, aber dann steht es immer noch da, auf meinem Hugo Boss-Schreibblock und was da steht ist damit Modegesetz und entweder streiche ich durch wie früher in der Grundschule, ein gerader Strich mit dem Lineal, schön ordentlich, aber dann kann ich es immer noch lesen, oder ich fahre wie im Wahn wieder und wieder darüber hinweg und verwandle es für alle Ewigkeit in ein hässliches Tintenkritzelkratzelmonster. Was Sie in diesem Fleck sehen, entscheidet über ihre geistige Verfassung, und wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zu Ihrem Vater?

Geduld gehört nicht eben zu meinen Stärken und so tendiere ich dazu, meine eben frisch aufs Papier gebrachten Worte zu Schlieren zu verwischen, weil ich nicht warten, sondern weiter will, immer weiter, und dabei das Innehalten vergesse. Und so muss dieser Text hier enden, denn was folgt, sind die verwehten Spuren meiner Schrift, unkenntlich und verloren für immer im Schneegestöber meiner wirren Gedanken…

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